Lesung & Gespräch mit Katja Urbatsch von ArbeiterKind.de

Vor elf Jahren gründete Katja Urbatsch zusammen mit ihrem Bruder die Internetplattform ArbeiterKind.de, um Studierende mit nichtakademischem Bildsungshintergrund zu unterstützen und Möglichkeiten der Beratung und Vernetzung anzubieten. Heute ist die gemeinnützige Organisation in mehr als 80 lokalen Ortsgruppen in ganz Deutschland vertreten und wird von über 6000 ehrenamtlich Tätigen unterstützt.

 



Im Rahmen der Diversity-Woche der Universität zu Köln fand auf Initiative des gemeinnützigen Vereins Erste Generation Promotion – EGP e. V. in Kooperation mit der Personalentwicklung Wissenschaft der UzK am letzten Mittwoch eine Veranstaltung mit Katja Urbatsch statt. Bei der Lesung und einem anschließenden Gespräch laß sie aus ihrem Buch „Ausgebremst: Warum das Recht auf Bildung nicht für alle gilt“ vor und diskutierte anschließend mit dem Publikum darüber, was es für mehr Bildungsgerechtigkeit im deutschen Hochschulsystem braucht.

 

Urbatsch schreibt in ihrem Buch über die Herausforderungen bei der Entscheidung für die Aufnahme eines Studiums, die sich vor allem vielen Studierenden mit einem nichtakademischen Bildungshintergrund stellen. Anhand von konkreten Beispielen aus ihrer Arbeit macht sie in ihrem Buch auf die Situation dieser Zielgruppe im deutschen Hochschulsystem aufmerksam und schildert etwa die zusätzlichen finanziellen Schwierigkeiten im Hinblick auf ein Studium. Bereits das Stellen eines BAföG-Antrags bedeute für viele schon eine erste Hürde, zu der das lange Warten auf das Geld, die ohnehin niedrigen Sätze und der formale Zeitdruck hinzukommen. Doch reicht die Unterstützung durch das BAföG allein gerade in vielen Großstädten nicht mehr aus, um den Lebensunterhalt, steigende Mieten und die Kosten für das Studium zu decken. Auch die Semesterbeiträge, die im Vorfeld jeden Semesters an die Hochschulen überwiesen werden müssen, sind für Studierende aus einkommensschwachen Verhältnissen nicht ohne weiteres zu leisten. Die Politik wie auch die Hochschulen haben vielmehr die Erwartungshaltung, dass Studierende durch ihre Familie generell finanziell unterstützt werden. Armut und Existenzangst sind daher Themen, von denen auch viele Studierende betroffen seien, besonders wenn ein entsprechendes unterstützendes Umfeld fehlt.

 

Neben praktische Probleme treten laut Urbatsch auch häufig persönliche Krisen, von denen sie aus ihrer Arbeit berichtete. So sind Studierende mit einem nichtakademischen Familienhintergrund etwa immer wieder der Situation ausgesetzt, ihre Entscheidung für das Studium oder eine Promotion rechtfertigen zu müssen. Damit einher geht häufig die Entfernung und Entfremdung von der eigenen Familie und dem bisherigen Bekanntenkreis durch den Schritt in die Welt der Wissenschaft und Hochschulen, die eigene Spielregeln hat. Gleichzeitig empfinden Studierende aus nichtakademischen Elternhäusern nicht selten eine Form von Fremdheit und hadern mit ihrer Entscheidung, da sie sich fragen „Gehöre ich überhaupt hierher, bin ich gut genug?“. Damit einher gehen oft Selbstzweifel oder Versagensängste.

 

Im Anschluß an die Lesung sprach die Autorin mit Ann-Kristin Kolwes, Projektkoordinatorin des Programms "Erste Generation Promotion Mentoring+" und Vorstandsmitglied des Vereins EGP e. V., und beantwortete Fragen aus dem Plenum. Dabei sprach Urbatsch von einer derzeit von ihr wahrgenommenen Rückwärtsgewandheit bzw. „konservativen Welle“ im Bildungssystem. Angesichts von steigenden Studierendenzahlen und Massenstudiengängen würden sich bestimmte Kreise wieder kleinere Universitäten (zurück)wünschen, an denen die bürgerliche Elite ausgebildet wird und unter sich bleibt. Zugleich gibt es ein Ungleichgewicht an den deutschen Hochschulen, nur ein gutes Drittel der Studierenden hat einem nichtakademischen Bildungshintergrund, unter den Promovierenden sogar nur ein Zehntel. Dieses Ungleichgewicht zeigt sich zudem in der Zusammensetzung der Professor*innenschaft.

 

Auf das Thema Bildungsungerechtigkeit aufmerksam zu machen ist eines der Ziele von Katja Urbatsch, wobei sie hier neben der Politik auch die Hochschulen und Universitäten selbst in der Pflicht sieht, um kurz- und langfristige Veränderungen herbeizuführen. Gemeinsam mit ArbeiterKind.de wird sie sich auch künftig weiter dafür einsetzen, die Hürden beim Zugang zu Bildung abzubauen, dem Umstand, dass der Zugang zur Bildung von der sozialen Herkunft abhängig ist, entgegenzuwirken und Schülerinnen und Schüler über die Möglichkeiten eines Studiums zu informieren und auf ihrem Weg an der Hochschule zu unterstützen.